Der menschliche Körper ist in Vergangenheit und Gegenwart immer wieder zu einem Symbol für den Kampf um die persönliche Freiheit geworden.
Mit der transdisziplinären Performance „Freiheit von Kopf bis Fuß“ wird dieses Symbol vom Ensemble El Perro Andaluz in Zusammenarbeit mit drei iranischen Künstlerinnen in einen ästhetischen Erfahrungsraum übersetzt.
Die Bilderserie „FRAU LEBEN FREIHEIT“ von Mahsa Momayezi verbindet sich mit der Uraufführung „Stiletto – Opera Nuova“ der Komponistin Fojan Gharibnejad und der Live-Kalligraphie von Nazanin Zandi zu einem Raum, in dem die (Wieder-)Gewinnung von Ausdrucksmöglichkeiten freiheitlicher Selbstbestimmung im Zentrum steht.
Der Kampf um persönliche Freiheit ist und war eng verknüpft mit dem Kampf um die Souveränität des eigenen Körpers. Das Recht über diesen zu verfügen ist ein grundlegender Baustein freiheitlich-demokratischen Selbstverständnisses. Nicht ohne Grund steht der „Habeas-Corpus-Akt“ am Beginn der Neuzeit. Die aktuellen Entwicklungen dieses Befreiungsprozesses sind hierzulande gekennzeichnet durch Begriffe wie Genderfluidität und geschlechtsneutrale Sprache, in anderen Ländern etwa durch die demonstrative Weigerung, als Frau in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen.
Wenn der menschliche Körper Symbol eines freiheitlichen Rechtsverständnisses ist, dann wird jeder symbolische Umgang damit immer sowohl ästhetisch als auch politisch sein.
Welche Bewegungen in welcher Kleidung und in welchen Körpern ich machen kann gibt immer ein Zeugnis darüber ab, welcher Grad an gesellschaftlicher Freiheit mir zugestanden wird.
Mit dem transdisziplinären Konzert „Freiheit von Kopf bis Fuß“, welches das Ensemble El Perro Anadaluz gemeinsam mit den in Lepizig und Dresden beheimateten Künstlerinnen und Komponistinnen Masha Momayez, Fojan Gharbinejad und Nazanin Zandi gestaltet, schaffen Körperbilder auf mehreren Ebenen einen Raum, der den Kampf um die je eigene Freiheit symbolisiert und sinnlich konkretisiert. Dabei treffen sich im Henny-Brenner-Saal des Zentralwerks Dresden Bilder und Klänge aus unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Die Narrative von „Ost“ und „West“ die sich durch Formen symbolischer Übersetzung miteinander mischen und Horizontverschmelzungen ermöglichen, werden dadurch erweitert – und im besten Fall überschritten.
Vor dem Konzert findet um 18 Uhr eine moderierte Gesprächsrunde zum Thema Frauenrechte im Iran im Foyer des Henny-Brenner-Saals mit den Künstlerinnen statt.
In dem performativen Ensemblewerk „Stiletto-opera nova“ nutzt die Leipziger Komponistin Fojan Gharbinejad die Doppeldeutigkeit eines aus dem Italienischen stammenden Begriffs und Objektes als Ausgangspunkt eines musikalisch-performativen Werke: der Stiletto-Absatzschuh aus dem 20. Jahrhundert als fetischisiertes Objekt trägt den gleichen Namen wie eine Stichwaffe, welcher der italienische Fechtmeister Achille Marozzo im 16. Jahrhundert ein eigenes Traktat mit zahlreichen Abbildungen widmete. Mit beiden Aktivitäten – dem Fechten und dem Gehen auf Absatzschuhen – verbinden sich klangliche Assoziationen ebenso wie klar definierte Bewegungsmuster. So lässt sich mit der Verknüpfung ein musikalisch-szenischer Bogen schlagen über fünfhundert Jahre geschlechterpolitischer Freiheiten. Wer (welches Geschlecht) darf einen Degen tragen? Wer (welches Geschlecht) darf Stilettos tragen?
Ist das Tragen eines Degens/eines Stiletto Zeichen von legerer Eleganz, sexualisierter Gewalt, selbstbestimmter Hoheit?
Gharbinejda entwickelt das für InstrumentalistInnen und Elektronik konzipierte Werk dabei gemeinsam mit dem Ensemble, für einen Kontext, in dem die Bilderserie „FRAU LEBEN FREIHEIT“ der Künstlerin und Fotografin Mahsa Momayezi den Bühnenraum definieren werden. So wie sich „Stiletto – Opera nova“ mit Körperkontext der Bewegungen von Füssen, Beinen und Armen auseinandersetzt, fokussiert sich die Bilderserie von Momayezi auf das Gesicht als Ort der Selbstbestimmung. Als ziviler Protest haben sich die von Teheran ausgehenden Bilder der Bewegung „Weisse Mittwoche“ auf der ganzen Welt verbreitet. Die Geste der iranischen Journalistin und Aktivistin Masih Alinejad, die ihr weißes Kopftuch abnimmt, bildet den Ausgangspunkt für die bildnerische Darstellung in einer Reihe von Variationen und Verdichtungen. Dadurch wird sowohl der konkrete Vorgang als auch die symbolische Kraft auf eine andere, drastischere, direktere Weise sichtbar für unsere Augen.
geb. 1995, ist eine kurdisch-iranische Komponistin. Seit Oktober 2022 ist sie als Lehrbeauftragte an HMT Leipzig und freischaffende Komponistin tätig. Sie ist außerdem als Regisseurin und im Bereich Multimedia aktiv. Gharibnejad war von 2017 bis 2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Musikinstrumentenmuseum Leipzig und ist Vorständin im Verein Contemporary Insights. 2020 erhielt sie mehrere Stipendien, 2021 wurde sie DAAD-Preisträgerin. Nach dem Abschluss der Teheraner Musikschule (als Geigerin) und des Nadere-Haghshenas Fachgymnasium für Bildende Künste studierte sie an der Teheraner Kunstuniversität. 2022 schließ sie ein Doppelstudium in den Fächern Komposition und Musiktheorie ab und war Gaststudentin in der Klasse für Medienkunst an der HGB Leipzig. Ihre Werke wurden u.a. bei den Darmstädter Ferienkursen und bei den Festivals Unerhörte Musik, Spectrum, Nieuwe Noten Amsterdam, des ZfGM und beim Kalv Festival gespielt.
1973 in Kerman, Iran, geboren und lebt seit 1996 in Dresden. Ihre Schulzeit verbrachte sie in Italien und Frankreich, später studierte sie Architektur in Paris und Dresden. Seit 1999 ist sie als Illustratorin, Malerin, künstlerische Projektleiterin, Kuratorin, kulturelle Bildnerin und Grafikerin freiberuflich tätig. Seit 2013 leitet sie wöchentliche kreative Kurse und Workshops für Kinder, Jugendliche & Erwachsene sowie geflüchtete Frauen und Männer in Dresden. 2023 hat Nazanin Zandi den Kunstförderpreis der Landeshauptstadt Dresden erhalten.
Mahsa Momayezi, ( persisch مهسا ممیزی ) ist eine iranische Künstlerin und Aktivistin. Sie erwarb an der Azad Universität in Teheran einen Bachelor in Grafik Design und arbeitete bis 2018 elf Jahre lang selbständig in diesem Bereich. Sie arbeitet seit 2023 als Sozialarbeiterin in Dresden. Ihre Fotoausstellung FRAU LEBEN FREIHEIT war zuletzt im Societätstheater Dresden zu sehen.
Mohammad Hassan Heidarian geb. 1989, ist ein kurdisch-iranischer Soziologe und Dichter. Im Jahr 2018 war er als Gastwissenschaftler am Zentrum für Integrationsstudien der TU Dresden tätig. 2020 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich 1285 „Invektivität der TU Dresden. Seit 2021 verfasst er seine Doktorarbeit in Literatursoziologie an der TU Dresden und der Universität Bielefeld, in der er „Erscheinungsformen der Unsagbaren unter vertriebenen iranischen Dichter*innen und Schriftsteller*innen“ untersucht. Ein Teil seiner aktuellen Forschung fokussiert sich auf die sozialen Prozesse, die die Sagbarkeitsgrenzen der Frauen verengen. Parallel zu seiner akademischen Laufbahn hebt er seit 15 Jahren in seinen Gedichtbänden frauenrechtliche Themen mit einer tabubrechenden Herangehensweise hervor.
Dieses Konzert wird gefördert von der Kulturstiftung Sachsen und der Stadt Dresden.