(Un)HÖR(Bar)

Alvin Luciers berühmtes Tonbandstück „I am sitting in a room“ ist die Realisierung eines Konzepts, welches darauf abzielt, die Eigenfrequenzen eines Raumes hörbar zu machen. Der dazu verwendete Text oder Klang ist von untergeordneter Bedeutung und beschreibt im Falle von „I am sitting in a room“ lediglich den technischen Vorgang des wiederholten Aufnehmens und Abspielens von Luciers Worten. Durch das Projizieren der aufgenommenen Sprachklänge in einen Raum wird dieser Raum akustisch „abgetastet“, ähnlich dem Schnipsen beim Betreten eines völlig dunklen Raums, welches dazu dienen soll, dessen Größe abschätzen zu können. Je nach Beschaffenheit des Raumes werden bestimmte Frequenzen der Aufnahme geschluckt oder verstärkt. Wird nun diese „Projektion“ wiederum aufgenommen und abgespielt und so fort, bleiben am Ende nur jene Frequenzen übrig, die den Eigenfrequenzen des Raumes entsprechen. Wir erlauben uns, diese Vorgehensweise Luciers zu adaptieren und im Zuge der Moderation den Konzertraum hörbar zu machen.

Insbesondere in Nonos letzten abgeschlossenen Werk, dem Violinduo Hay que caminar, sognando (etwa: „wir müssen gehen, träumend“) wird offenkundig, wie die Klänge sich in jedem Moment ihre Realisierung im Raum, ihre Existenz jenseits des Notenpapiers erkämpfen, wobei die Dramatik dieses Kampfes eine vollkommen verinnerlichte ist, immer am Rande des Verstummens. Die Änderung der Spielpositionen der Ausführenden im Raum im Verlauf der drei Sätze verdeutlicht zusätzlich, dass die Veränderung, das Schwankende und Suchende thematisiert wird. Falls es dabei etwas zu finden gibt, dann wird es nicht Sicherheit sein, denn: Es gibt kein richtiges Verstehen, wichtig ist die Offenheit der Zuhörer.

Die fünf Teile der Suite Artificial Environments 1-5 („künstliche Umgebungen“) von Joanna Bailie folgen einander ohne Pause. In jedem Satz werden die Grenzen zwischen den live gespielten Instrumentalklänge und den Collagen aufgenommener Klänge (beispielsweise städtische Umgebungen) verwischt.

Luigi Nono: Hay que caminar, sognando (1989)
für zwei Violinen

Joana Bailie: Artificial Environments 1-5
für Fl, Kl, Pn, Vl, Vla (2011)

Steve Reich: Come Out (Auszug) (1966)

John Cage: a room (1943)

El Perro Andaluz nach Alvin Lucier: I am sitting in a room (1969/2017)

Klarinette, Bassklarinette – Albrecht Scharnweber

Violine – Alwyn Westbrooke

Violine, Viola – Emily Yabe

Violoncello – Nadezhda Krasnovid

Piano – Torsten Reitz

Schlagwerk – Sabrina Ma

Dirigent – Lennart Dohms

Soundregie – Martin Baumgärtel